Tag 77 (Teil 1) - Agno in der Schweiz

Die Nacht der Hölle!

Wir haben die vermutlich schlimmste Nacht der ganzen Reise hinter uns!!!

Noch etwas scherzhaft hatten wir beim Abendessen gesagt, dass wir hoffentlich nicht wegschwimmen werden, wenn Gewitter und Regen angesagt ist. Dass es tatsächlich so kommen würde, hatten wir aber ehrlich gesagt nicht gedacht. 

Auch wenn im Normalfall unser Tag irgendwann in den frühen Morgenstunden beginnt, gab es zwischen Tag 76 und 77 keine wirkliche Schlafphase, sondern einen fließenden Übergang. Fangen wir mal an ... 

07.09.2022 um 21:30 Uhr: 
Während ein paar von uns noch unter dem Pavillon gesessen hatten, um Fußball zu schauen, haben sich die ersten in ihre Zelte verkrochen um zu schlafen, denn die letzten Tage waren doch sehr anstrengend und die Nächte nicht wirklich erholsam. Unsere gestrige Etappe, für die wir ziemlich genau neun Stunden gebraucht hatten, war dann doch auch schlauchender als angenommen. 

07.09.2022 um 22:00 Uhr: 
Es beginnt zu regnen, weshalb die Seitenwände des Pavillons geschlossen wurden, sodass auch die letzten drei von uns einen Platz zum schlafen hatten. Der Regen wurde immer stärker und es hatte sich teilweise so angehört, als würde man unmittelbar neben brechenden Wellen des Ozeans, kombiniert mit den Geräuschen eines Eurofighters liegen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich jedoch noch keiner Gedanken darüber gemacht, wie viel Wasser in den kommenden Stunden noch auf unsere Zeltwände prasseln würden. 

07.09.2022 um 23:30 Uhr:
Das erste Video wurde von Xenia in die gemeinsame Whatsapp-Gruppe geschickt: "Mein Zelt schwimmt weg, ich bleibe safe nicht hier liegen! Wasserbetten in allen Ehren aber Wasserzelt und Wasserwiese fühle ich nicht". Auf dem Video war zu erkennen, dass sich der Zeltboden wie in einem Wasserbett bewegt hatte, sobald man diesen berührte. Durch die schaukelnden Bewegungen war Xenia wach geworden und wusste nicht so ganz, ob sie einen Blick aus dem Zelt wagen sollte oder besser nicht. Fest stand jedoch, dass es auch 1,5 Stunden später noch sehr heftig regnete und es auch keinerlei Anzeichen gab, dass sich der Regenfall reduzieren würde.

Zeitgleich kam eine Nachricht von den Jungs aus dem Pavillon in der Whatsapp-Gruppe an: "Pavillon schafft die Wassermenge auch nicht so gut. Gerade fast eingekracht"

Zwischenzeitig hatten Johannes und Xenia einen Blick aus ihrem Zelt geworfen und mussten feststellen, dass der Wasserstand bereits auf 10-15cm angestiegen war. Statt zwei Badelatschen stand auch nur noch einer vor dem Zelt, der zweite Schuh war bereits von den Wassermassen weggespült worden. In dem Zelt, inmitten von einem See aus Schlamm, Gras und Ästen liegen zu bleiben stand absolut nicht zur Debatte, weshalb zuerst Xenia und kurze Zeit später auch Johannes Zuflucht unter dem Pavillon gesucht hatten. Zuvor wurde im Zelt noch versucht, die wichtigsten Sachen im Schlafsack einzuwickeln, in der Hoffnung, dass diese auch morgen früh noch trocken sein würden, selbst wenn sich das Wasser einen Weg in das Zelt suchen würde. Tatsächlich kam es auch so und mit Öffnen des Reisverschlusses lief die gesamte braune Brühe in das Zelt.

Im Pavillon angekommen trafen Xenia und Johannes dann auf Jannis, Flo und Felix, die sich bereits auf die Ecken verteilt hatten und mit den zusammengeklappten Campingstühlen versucht hatten, das Pavillondach nach oben zu drücken, sodass sich kein Wasser ansammeln konnte. 

Fehlte nur noch eine Person ... Wo war Lennart? Lennart lag noch in seinem Zelt, schaukelte auf dem leichten Wellengang des braunen Sees vor sich hin und hatte bis dato absolut nichts von dem Weltuntergang mitbekommen. Erst als Johannes ihn geweckt hatte, stellte er fest, das irgendetwas nicht stimmte. Auch bei ihm war der Wasserstand bis kurz unter dem Reisverschluss angekommenn und drohte in das Zelt zu laufen. Auch er machte sich schließlich auf den Weg unter das Pavillon, um gemeinsam nach einem Plan für die Nacht zu überlegen. 

08.09.2022 um 00:15 Uhr: 
Okay, der See wurde immer größer und unsere Zelte drohten immer weiter zu versinken. Kurzer Hand wurden einmal die Klamotten bis auf die Unterwäsche ausgezogen, um noch einmal nach draußen in das Gewitter und den Regen zu rennen, sodass die Zelte aus der riesigen Pfütze gezogen werden konnten. Weiter hinten war die Wiese etwas höher gelegen und es sah so aus, als würden die Zelte dort zumindest für eine längere Zeit im "trockenen" stehen. Auch der Schlafsack und die Wertsachen, wie Smartphones, wurden aus dem Zelt gerettet und unter das Pavillon gebracht. 

08.09.2022 um 00:30 Uhr: 
Mittlerweile hatte sich das Wasser auch einen Weg in das Pavillon gesucht und floß Stück für Stück weiter in die Zeltmitte! Die Plane wurde in der Zwischenzeit zusammengeschoben und auch die Isomatten lagen nicht mehr nebeneinander, sondern übereinander. Währenddessen wurde weiterhin versucht, die Zeltdecke nach oben zu drücken, denn innerhalb von wenigen Sekunden hatte sich wieder eine riesige Wasserpfütze gebildet. 

09.092022 um 01:00 Uhr: 
Es half alles nichts, wir brauchten einen Schichtplan für die Nacht, sodass jede:r Mal nach dem Pavillon schauen würde. Tatsächlich haben Felix und Jannis die ganze Nacht die Stellung gehalten und zwischendurch nach dem Rechten gesehen!

An dieser Stelle möchten wir einmal die Schlafplätze von uns vorstellen, die zum Teil mehr als gewöhnungsbedürftig sind: 
Johannes: Johannes ist mit seinem Zelt noch einmal umgezogen und auf einen kleinen Hügel gestiefelt, um dort halbwegs im Trockenen zu liegen. 
Lennart: Lennart hat es sich im Toilettenhäuschen auf seiner Yogamatte gemütlich gemacht. Immerhin waren alle Campingplatzbewohner:innen, die nachts das stille Örtchen aufgesucht haben, sehr verständnisvoll, hatten sich entschuldigt und machten die Türe leise wieder hinter sich zu. 
Jannis & Felix: Die beiden haben es sich mit ihren Isomatten an der noch einzigen trockenen Stelle unter dem Pavillon gemütlich gemacht und sich bei stärkerem Regen darum gekümmert, dass sich keine großen Wassermengen auf dem Zeltdach bildeten. 
Flo: Flo versuchte im Sitzen zu schlafen und flüchtete in den Support-Ducato. Schlafen - Fehlanzeige. Die gemütlicheren Sitze im Wohnmobil sollten Abhilfe schaffen, weshalb er es um 3 Uhr im anderen Ducato versucht hatte. Schlafen - Fehlanzeige! Flo hat tatsächlich die ganze Nacht nicht ein Auge zugemacht und saß mit entsprechend tiefen Augenringen morgens wieder bzw. immernoch am Tisch. 
Xenia: Xenia hatte es sich hinten im Wohnmobil auf der noch in Plastik eingepackten Matratze gemütlich gemacht. Die Taschen und Wäschesäcke dienten als Kissen, die Essens- und Spülkisten als Rückenlehne und die Handtücher als Zudecke. 

08.09.2022 um 8 Uhr 
Das Wasser ist soweit zurückgegangen und war zurückgegangen. Nach dieser Nacht brauchten wir dann erst einmal eine richtig richtig große Kanne Kaffee. Halleluja! Den Kaffee konnten wir noch mit dem Strom aus dem Wohnmobil kochen. Danach stieg auch die Boardelektronik des Wohnmobils aus. Irgendwo muss Feuchtigkeit in das Fahrzeug gekommen sein, denn unsere Elektronik spielte verrückt und wir hatten keinen Strom mehr. Jannis wird sich aber im Laufe des Tages darum kümmern, dass hoffentlich bald alles wieder funktioniert. 

Alle Schuhe wurden übrigens wiedergefundes, auch wenn Lennarts Latschen knapp 150 m weg von unserem Zeltplatz lagen.

Wir sagen "Guten Morgen Welt"!

Hier mal noch ein kleiner Ausschnitt aus den Medien: "Mehrere Überschwemmungen wurden zwischen Agno und Bioggio gemeldet. [...] Hier sei ein Bach über die Ufer getreten und eine Strasse in der Folge durch Ablagerungen blockiert worden. [...] Zwanzig Personen mussten aus fünf Häusern evakuiert werden, weil der Bach Vallone über die Ufer trat. [...] Insgesamt entluden sich bei den Gewittern in der Schweiz bis 23.00 Uhr 10'730 Blitze. [...] Im Tessin waren es demnach lokal 80 Millimeter. In Lugano gingen gemäss Meteonews innerhalb von 12 Stunden über 150 Millimeter nieder  – «fast so viel, wie normalerweise im gesamten September fällt». [...] (Quelle: bluewin.ch)

Heute wird es ausnahmsweise einen zweigeteilten Blogbeitrag geben, denn es ist doch so einiges passiert. Auch heute stehen noch einige To Do's an. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die Schweiz das Land wird, bei dem wir am meisten mitmachen müssen bzw. dürfen. Es sind ja auch irgendwie ganz lustige Erfahrungen, die wir hier machen!